Einleitung:
Trinkwasserhygiene und Energieeffizienz in Einklang zu bringen – das ist aktuell eine der wichtigsten Herausforderungen in der Gebäudetechnik. Die Auswahl der optimalen Technologie spielt dabei eine entscheidende Rolle. Sie muss in der Lage sein, die eingesetzte Energie möglichst effizient und nachhaltig zu nutzen. Die Energiewende schreitet stetig voran – neue Regularien wie das Energieeffizienzgesetz (EnEfG) treten in Kraft und fordern verstärkt Maßnahmen zur Reduktion des Endenergieverbrauchs.
Gleichzeitig übersteigt die zur Trinkwassererwärmung benötigte Leistung in vielen Fällen bereits die Heizleistung für die Raumwärme – ein Trend, der sich weiter verstärkt. Doch über allen Maßnahmen steht der Schutz der menschlichen Gesundheit: Das Infektionsschutzgesetz (IfSG) sowie die Trinkwasserverordnung (TrinkwV) räumen der Trinkwasserhygiene oberste Priorität ein. Selbst das Gebäudeenergiegesetz (GEG) stellt in § 10 Absatz 3 klar, dass Anforderungen an die Energieeffizienz dann zurücktreten, wenn sie dem Gesundheitsschutz widersprechen. Wie mit innovativen Konzepten ein energetisch optimaler und hygienisch sicherer Betrieb gewährleistet wird, erfahren Sie im Folgenden.
Welche Vorteile – aber auch Herausforderungen – bringt die Nutzung von Solarenergie, Wärmerückgewinnung oder Photovoltaik für die Warmwasserbereitung mit sich?
In Zeiten, in denen die zur Trinkwassererwärmung benötigte Leistung häufig höher ist als die Heizleistung für die Raumwärme, gewinnt die Einbindung von Abwärme oder regenerativer Sekundär-Energiequellen zunehmend an Bedeutung. Durch die Nutzung von regenerativen oder Abwärme-Energien lassen sich große Mengen an Wärmekapazität in die Warmwasserbereitung einfügen, die sonst teuer über die Primärenergie bereitgestellt werden müsste.
Je nach verfügbarer Abwärme oder regenerativer Wärmequelle lassen sich schnell mehrere tausend Euro pro Jahr an Heizkosten sparen. Eine der großen Herausforderungen regenerativer Systeme, die ausschließlich auf solaren oder abwärmebasierten Erträgen beruhen, ist die saisonale Verfügbarkeit der benötigten Kapazitäten und Leistungen – oder das Fehlen ausreichender Temperaturen bei der Nutzung von Wärmepumpen zur Trinkwassererwärmung. Daher ist ein durchdachtes Konzept erforderlich, das diese Aspekte in Einklang bringt. Gelingt dies, lassen sich – abhängig von der Anlagengröße – erhebliche Energiemengen einsparen, was die Betriebskosten der jeweiligen Anlage deutlich senken kann.
Wie sicher ist das Warmwasser aus regenerativen oder Abwärme Systemen in Bezug auf Hygiene – zum Beispiel im Hinblick auf Legionellen?
Trinkwasseranlagen bergen grundsätzlich hygienische Risiken, wenn sie nicht sachgerecht betrieben werden. Stimmen die Temperaturbereiche nicht, spielt es keine Rolle, ob die Erwärmung durch regenerative Systeme oder klassische fossile Prozesse erfolgt – das Risiko bleibt bestehen. Normativ werden für zentrale Trinkwassererwärmungsanlagen Temperaturen von mindestens 60 °C am Austritt des Warmwassererwärmers sowie 55 °C am Eintritt über die Zirkulationsleitung gefordert.
Diese Vorgaben dienen dem Schutz vor mikrobiologischer Belastung, insbesondere durch Legionellen. Bleiben die Temperaturen dauerhaft unter 55 °C, besteht ein erhöhtes Risiko für das Wachstum von Legionellen – insbesondere im kritischen Temperaturbereich zwischen 25 °C und 50 °C. Dieses Risiko ist besonders hoch, wenn Systeme fehlerhaft geplant oder unsachgemäß betrieben werden. Die Grundlage für eine hygienisch sichere Trinkwasserinstallation beginnt daher bereits mit der richtigen Wahl des Trinkwassererwärmers sei es ein klassischer Trinkwasserspeicher, ein Speicherladesystem oder eine moderne Frischwasserstation als „State of the Art“-Lösung. Darüber hinaus sind zahlreiche weitere Einzelkomponenten und Maßnahmen erforderlich, um eine dauerhaft sichere und hygienisch einwandfreie Trinkwasserversorgung sicherzustellen.
Müssen Eigentümer oder Betreiber sich Sorgen machen, dass durch niedrigere Temperaturen im Warmwassersystem die Gesundheit gefährdet wird?
Ja, das müssen sie. In der jüngeren Vergangenheit wurden verschiedene Forschungsvorhaben durchgeführt, mit dem Ziel, die Temperaturen zur Trinkwassererwärmung in Gebäudeinstallationen aus energetischen Gründen abzusenken. Keines dieser Vorhaben konnte jedoch erfolgreich umgesetzt werden.
Aktuell ist eine Absenkung der Warmwassertemperaturen auf 55 °C bis 50 °C nur unter sehr strengen technischen und hygienischen Rahmenbedingungen zulässig. Wird eine Anlage jedoch unsachgemäß betrieben – etwa durch unzureichende Temperaturhaltung, mangelnden Wasseraustausch oder fehlerhafte Regelung – kann dies zu hygienischen Beeinträchtigungen und potenziellen Gesundheitsrisiken führen.
Wie können Energieeinsparungen durch regenerative oder Abwärmeprozesse hygienisch sicher in die Trinkwassererwärmung sicher integriert und Betrieben werden?
Eine hygienisch sichere und energieeffiziente Trinkwassererwärmung basiert auf der Kombination aus geeigneter Technologie, kontinuierlichem Monitoring und der konsequenten Umsetzung der vier Säulen der Trinkwasserhygiene: Geschwindigkeit, Temperatur, Wasseraustausch und Werkstoffwahl. Insbesondere durch den Einsatz moderner Frischwasserstationen wird die für die Verbraucher benötigte Wärmekapazität auf der Heizungsseite gespeichert – einem Bereich, der aus hygienischer Sicht unkritisch ist. Dadurch kann das bevorratete Trinkwasservolumen im Vergleich zu klassischen Speicherlösungen oftmals um ein 1000-faches reduziert werden.
Ebenso spielt die Art der Hydraulik eine zentrale Rolle: Die von uns favorisierte Verschaltung, um regenerative Systeme einzubinden trennt Energien bei der Erzeugung oder Rückerwärmung vom Trinkwasser und speist die jeweiligen Rücklauftemperaturen in separate Heizungspufferspeicher ein. In dieses Heizungswasser können dann Wärmerückgewinnung, Solarthermie oder Photovoltaik hygienisch unbedenklich eingebunden werden. Die Auslegung der Trinkwassererwärmungsanlage sollte schlank und bedarfsgerecht erfolgen – idealerweise auf Basis realer Verbrauchsmessungen im Summenlinienverfahren. Rohrnetze sind kompakt zu dimensionieren, und eine gleichmäßige Temperaturverteilung in der Zirkulationsleitung ist sicherzustellen.
Ein weiterer zentraler Baustein ist das Monitoring der Anlage. Frischwasserstationen ermöglichen durch integrierte Sensorik und Messtechnik eine transparente Analyse der Anlagenhydraulik – sie bringen sprichwörtlich ‚Licht in die Blackbox‘. So lassen sich Betriebszustände in Echtzeit überwachen. Unsere Frischwasserstationen bieten darüber hinaus intelligente Mehrwerte wie automatische Optimierungsvorschläge zur Absenkung der Vorlauftemperatur oder zur Anpassung der Laufzeiten angeschlossener Wärmequellen.
Welche Systeme haben sich in der Praxis bewährt – sowohl im Einfamilienhaus als auch in Mehrfamilienhäusern oder gewerblichen Gebäuden?
In der Praxis haben sich für moderate Verbräuche unsere neuen Frischwasserstationen (S) PRO etabliert. Diese sind ideal für kleinere Wohngebäude oder Objekte mit niedrigeren Entnahmevolumenströmen und lassen sich kompakt am Pufferspeicher montieren. Für sehr kleine Anlagen, die unter die 3-Liter-Regel fallen, sind ebenfalls dezentrale Lösungen denkbar. In Mehrfamilienhäusern gelten zentrale Anlagen mit Zirkulation, modular erweiterbar, elektronisch geregelter Warmwassertemperatur und hohen Leistungen zur maximalen Auskühlung des Heizmittels als Stand der Technik.
Was kann schieflaufen – und welche Fehler sollte man unbedingt vermeiden?
Im Zusammenspiel von Energieeffizienz und Trinkwasserhygiene zählt die Speicherung von Energie auf der Trinkwasserseite sowie unzureichende Temperaturen im Warmwasser zu den kritischsten Fehlerquellen. Ein häufiger Irrtum besteht darin, Wärmerückgewinnung (WRG), Solarthermie oder Photovoltaik als primäre Energiequelle für die Trinkwassererwärmung zu betrachten.
Diese Systeme eignen sich in der Regel nur zur Unterstützung, nicht jedoch zur alleinigen Versorgung. Auch abgesenkte Systemtemperaturen zur Optimierung des COP von Wärmepumpen, fehlende Zirkulation oder das Vorhandensein von Totleitungen stellen erhebliche hygienische Risiken dar und sollten konsequent vermieden werden. Zudem können regelmäßig durchgeführte prophylaktische thermische Desinfektionen – entgegen der Intention – die Trinkwasserqualität langfristig negativ beeinflussen.
Wie können digitale Systeme helfen, die Warmwasserbereitung effizient und sicher zu überwachen?
Neben der direkten Effizienzsteigerung erlaubt die Digitalisierung eine strategischere Steuerung von Anlagen. Betreiber können datenbasierte Entscheidungen treffen, zum Beispiel zu Modernisierungen, Energieeinsparungen oder Investitionen. Zudem fördert eine zentrale Plattform den Austausch zwischen Teams und Standorten, da alle Beteiligten Zugriff auf dieselben Informationen haben. Digitale Systeme protokollieren automatisch alle Maßnahmen. So entsteht eine lückenlose Dokumentation, die Zeit spart und Fehler vermeidet. Gleichzeitig steht ein nachvollziehbares Archiv zur Verfügung, das bei Prüfungen oder Zertifizierungen sofort eingesetzt werden kann.
Und ganz praktisch: Was sollten Eigentümer:innen, Hausverwaltungen oder Betreiber tun, um ihre Warmwasseranlage fit für die Zukunft zu machen?
Bringen Sie „Licht in das Dunkel“ der Bestandsanlagen durch Digitalisierung Ihrer Anlagen. Dies erhöht die energetische Effizienz Ihrer Anlage. Digitalisierung sollte als langfristige Strategie verstanden werden. Prozesse müssen ganzheitlich gedacht werden. Wir raten, mit Pilotprojekten zu starten, Erfahrungen zu sammeln und den Digitalisierungsgrad Schritt für Schritt zu erhöhen. Wer früh handelt, schafft die Grundlage für einen sicheren, wirtschaftlichen und effizienten Betrieb – auch mit weniger Personal.
Fachinterview mit Michael Göbel, Gebr. Kemper GmbH + Co. KG